Perspektiefe 42, März 2017

Kirche und Religionen: Ihr Beitrag zu einem kulturellen Wandel für Nachhaltigkeit

IMPULS: Wir leben in einer Zeit, die als „Kairos“, eine besonders herausgehobene Zeit, wahrgenommen werden kann. Ein Kairos ist ein günstiger Zeitpunkt für Entscheidungen: pro Umwelt, pro Nachhaltigkeit, pro Generationengerechtigkeit. Pro interreligiösen Dialog. Und contra Ausbeutung, contra Wachstumsideologie, contra Vereinsamung. Und contra vermeintliche religiöse Vorreiterschaft.

von Pfarrer Dr. Hubert Meisinger, Referat Umwelt & Digitale Welt Es sind zunehmend eigene Erfahrungen mit dem Klimawandel, die die Menschen wachrufen. So konnten Unwetter und Überschwemmungen in England um die Weihnachtszeit 2015 klar als Phänomen und Ausdruck des Klimawandels gedeutet werden. Was können die Religionsgemeinschaften in diesem Kontext leisten? Im ökumenischen Prozess „Umkehr zum Leben“ verständigen sich evangelische und katholische Kirchen über Wege in eine klimagerechte Welt. Und sie können Lernräume schaffen für interreligiöse Verständigung über Nachhaltigkeit und Schöpfungsverantwortung. Wobei Buddhisten das Wort „Schöpfung“ nicht kennen, aber im Buddhismus in Deutschland und weltweit gibt es die Sorge für die Umwelt, Achtsamkeit gegenüber sich und anderen und die Frage einer gerechten Verteilung dessen, was nur allzu oft wenigen zur Verfügung steht. Auch im Judentum, im Islam, bei den Bahá’i, den Sikhis, Eziden und Aleviten ist mehr als nur ein Verständnis dafür vorhanden, dass es um den Erhalt der von Christinnen und Christen Schöpfung genannten Natur und Welt geht. Es gibt Initiativen, die denen in den christlichen Kirchen in nichts nachstehen: Jews go Green, die muslimischen Vereine Hima e.V. und NourEnergy e.V.

Ein kultureller Wandel zu mehr Nachhaltigkeit setzt auf religiöser Seite voraus, diesen interreligiösen Dialog zu führen und auf die gegenseitigen Bereicherungen zu achten.

Politik sucht Religionen Ein kultureller Wandel zu mehr Nachhaltigkeit erfordert allerdings noch mehr. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) führt regelmäßig Befragungen durch, welche Bürgerinnen und Bürger gegenüber Naturschutzthemen aufgeschlossen sind. Religiöse Menschen stehen hier an erster Stelle. Das Bundesamt für Naturschutz ergreift daher die Möglichkeit, mit Religionsgemeinschaften zu kooperieren, um das Bewusstsein z.B. für die Folgen eines zunehmenden Verlustes an Artenvielfalt zu erweitern. Das Projekt „Religionen und Naturschutz“ greift dies auf. In einer Zusammenarbeit zwischen BfN, Abrahamischem Forum e.V. und Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN wird in den kommenden drei Jahren der Dialog der Religionen untereinander sowie mit Naturschutzorganisationen und der Bevölkerung gefördert. Beispielsweise besuchen Teams aus Religion und Naturschutz Schulen, und Orte der Biodiversität werden um religiöse Gebäude herum eingerichtet: ein wesentlicher Beitrag von Religionen zu einem kulturellen Wandel. Dass insbesondere die christlichen Kirchen auch in regionalpolitische Prozesse eingebunden sind und kirchliche Perspektiven in die Nachhaltigkeitskonferenz des Landes Hessen und den Klimaschutzbeirat des Landes Rheinland-Pfalz einbringen, soll nicht unerwähnt bleiben. Entdemokratisierungstendenzen, die in der westlichen Welt zu beobachten sind und allzu oft mit einer Leugnung des Klimawandels einhergehen, müssen die christlichen Kirchen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entgegenwirken: eine der wichtigsten anstehenden Aufgaben im Reformationsjubeljahr 2017 und darüber hinaus.