17.06.2020
Arbeit & Soziales

Corona-Krise: Kommt endlich in die Gänge, Jungs!

Männer und Frauen sind gleichermaßen für eine funktionierende Gesellschaft verantwortlich. Frauen sollten nicht länger die Hauptlast schultern müssen, das zeigt die durch die Corona – Pandemie ausgelöste Krise deutlich.
Von Dr. Julia Dinkel, Referat Arbeit & Soziales

Wir alle sind dazu aufgefordert, unseren Beitrag dazu leisten, damit wir als Gesellschaft die Corona-Krise möglichst gut meistern können. Solidarität und gesellschaftlicher Zusammenhalt sind daher Worte, die während der Krise oft gebraucht werden. Wie unter einem Brennglas zeigt sich deutlich, welch großen Stellenwert die Care-Arbeit für den Zusammenhalt in einer Gesellschaft hat. Leider zeigt sich ebenfalls wie unter einem Brennglas, dass Care-Arbeit immer noch kaum respektiert und honoriert und zu häufig als selbstverständlich wahrgenommen wird. Und schließlich macht der Blick durch das Brennglas der Corona-Krise deutlich, dass es nach wie vor Frauen sind, die die meiste Arbeit für Gesellschaft und Gemeinschaft erbringen.

Männer sollten sich aktiver einbringen

Care-Arbeit – zu Deutsch Sorgearbeit – beschreibt die Tätigkeiten des Sorgens und Sichkümmerns. Darunter fällt Kinderbetreuung oder Altenpflege, aber auch familiäre Unterstützung, häusliche Pflege oder Hilfe unter Freunden. Tätigkeiten also, die während der Corona-Krise durch z.B. die Schließung von Kitas und Schulen, durch den Wegfall von Sportangeboten und kulturellen Angeboten, durch die Notwendigkeit für Risikogruppen einzukaufen, noch mehr an Bedeutung gewonnen haben. Schon vor der Krise haben Frauen in etwa viermal so viel Care-Arbeit erbracht wie Männer. Und auch während der Krise zeigt sich, dass Männer deutlich seltener Care-Arbeiten übernehmen, auch wenn sie im Homeoffice arbeiten oder in Kurzarbeit sind. Es sind in der überwiegenden Mehrzahl Frauen, die dafür sorgen, dass schulpflichtige Kinder zuhause lernen können. Es sind in der überwiegenden Zahl Frauen, die für die Betreuung von Kleinkindern ihre Arbeitszeit reduzieren, Urlaub nehmen und/oder zuhause bleiben. Es sind in der  überwiegenden Mehrzahl Frauen, die alte Menschen pflegen und für diese auch in Zeiten der Krise da sind. Es sind in der  überwiegenden Mehrzahl Frauen, die als Krankenschwestern in Krankenhäusern an Corona erkrankten Menschen helfen.

Letztlich ist es diese Care-Arbeit, die in all ihren unterschiedlichen Facetten unsere Gesellschaft zusammenhält. Denn wenn sich niemand um die Jüngsten und die Ältesten, die Schwächsten und Bedürftigsten kümmern würde, wenn wir uns nicht füreinander einsetzen, was wäre dann noch von unserer Gesellschaft übrig? Und trotzdem wird Fürsorgearbeit und Sichkümmern kaum wertgeschätzt und oft als zu selbstverständlich erachtet. Die Corona-Krise hat uns allen nochmals deutlich gemacht, wie sehr wir alle einander brauchen. Warum verteilen wir die Care-Arbeit dann nicht fairer? Die Aussage, auf Frauen würde ja kein Zwang ausgeübt werden, diese Aufgaben zu übernehmen ist wenig hilfreich. Unberücksichtigt bleiben bei dieser Sichtweise historische, soziale und kulturelle Faktoren, die dazu beitragen, dass Frauen mehr Care-Arbeit übernehmen und schließlich auch die Frage, was mit unserer Gesellschaft passiert, wenn sich niemand mehr verantwortlich fühlt. Vielmehr ist es höchste Zeit, dass Männer mehr und verstärkt Care-Arbeiten übernehmen, gerade in Krisenzeiten. Wir alle müssen jetzt unseren Beitrag leisten und das schließt eben auch mit ein, dass Väter Arbeitsblätter für die Schule ausdrucken, zusammen mit den Kindern lernen, dass Väter sich auch in ihrer Arbeit zurücknehmen, um die Betreuung von Kleinkindern zu gewährleisten oder dass sich Männer  auch um ihre Eltern kümmern.

Schritte auf dem Weg zur mehr Anerkennung von Care-Arbeit

Unter dem Brennglas der Corona-Krise zeigt sich die Ungleichverteilung in der Care-Arbeit deutlich. Positiv ist aber, dass wir darauf aufmerksam machen und darüber reden. Denn nur so können wir etwas ändern. Gesellschaftlicher Wandel wird nicht durch große Schlagzeilen, Konventionen oder gerichtliche Entscheidungen erreicht. Wandel und Veränderungen werden durch die Art wie wir miteinander reden und umgehen erreicht. Reden wir also darüber, dass Empfehlungen für Wege aus der Krise nicht von Gremien gegeben werden sollten, in denen hauptsächlich ältere Männer vertreten sind. Reden wir darüber, dass im Konjunkturpaket der Bundesregierung das Wort „Care-Arbeit“ nicht vorkommt. Reden wir darüber, dass anspruchsvolle Arbeit im Bereich der Erziehung und Pflege nicht angemessen bezahlt wird.
Fordern wir aktiv ein, dass schon in Schulen und Kindergärten auch Jungs noch mehr lernen die sogenannten „Fleißaufgaben“ zu übernehmen. Achten wir bei der nächsten Einladung zum Essen darauf, mal den Mann zu fragen, welches Dessert er zubereiten und mitbringen möchte. Bitten wir den Mann, die Medikamente für die erkrankten Eltern in der Apotheke zu holen. Es gibt viele Beispiele dafür, an denen wir einüben können, dass Männer lernen sich aktiver in die Care-Arbeit einbringen können und dies auch für sie selbstverständlich wird.

Die Corona-Krise zeigt, dass wir als Gesellschaft stark sind, wenn wir alle unseren Beitrag leisten. Warum sollte uns das bei der Verteilung von Care-Arbeit nicht auch gelingen? Machen wir uns gemeinsam auf den Weg und gehen die vielen kleinen Schritte, die für einen Wandel hin zu für mehr Anerkennung und Respekt von Care-Arbeit notwendig sind.