11.12.2017
Ländliche Entwicklung

„Die persönliche Begegnung kann viel verändern“

KLEIN-UMSTADT. Kindergärten und Kindertagesstätten sind zum Beispiel ein Thema, bei dem Kirche und Kommune miteinander zu tun haben. Von den 40 Kirchengemeinden im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald seien 17 Kirchengemeinden Träger von 19 Kindertagesstätten, sagte Dekan Joachim Meyer in seiner Begrüßung im Bürgerhaus in Klein-Umstadt. Das Subsidiaritätsprinzip zeichne sich durch Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe aus. Gemeinschaft und gemeinsame Inhalte seien für die Menschen wichtig, bekräftigte Karl-Christian Schelzke, Geschäftsführender Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes. „Das Wichtigste, was Menschen erfahren können, ist Wertschätzung“, sagte Schelzke, „Wertschätzung heißt auch, an die Stärke des Anderen glauben.“ 
Demokratie in Gefahr?
Roßdorfs Bürgermeisterin stellte das Papier „Konsens und Konflikt: Politik braucht Auseinandersetzung“ vor, das die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) herausgegeben hat. Demokratien lebten auch durch Konflikte und davon, dass die Menschen Verantwortung für das eigene Leben und die Gemeinschaft beziehungsweise die Gesellschaft übernähmen, heißt es darin. Durch die sozialen Medien sei eine große Verunsicherung entstanden, die auch die demokratische Streitkultur unterlaufe. Zum einen erzeugten die Algorithmen einen eigenen Zuhörerkreis. Zum anderen sei ein dreidimensionales Koordinatensystem aus Individualisierung, Globalisierung und Digitalisierung entstanden, in dem sich die Menschen nicht mehr zurechtfänden. 
„Wie kriegen wir wieder einen Sinn fürs Gemeinwesen hin?“ fragte Arno Allmann, Dekan im Dekanat Darmstadt-Land, und brachte das, was Bürgermeister wie Pfarrer umtreibt, auf den Punkt. Lösungsansätze aus der regen Diskussion zwischen den rund 40 Pfarrern, Pfarrerinnen, Bürgermeistern, Bürgermeisterinnen, Dekanen, den Vertretern der Katholischen Dekanate Darmstadt und Dieburg und weiterer Verantwortlicher: Begegnungs- und Kommunikationsorte schaffen,  sich persönlich treffen und nicht per Videokonferenz, politische Erziehung in den Familien, verstehbarer werden, die Bürgerinnen und Bürger in schwierigen Situationen wirklich einbinden, auch wenn es aufwendig und langwierig ist, sich kritischen Themen stellen und ehrliche Antworten finden. Er sei im Clinch mit der Landesregierung, berichtete Schelzke, da diese die Ballungsräume weiter verdichten wolle. Seiner Ansicht nach fördert das die Bildung von Parallelgesellschaften, da Flüchtlingsfamilien auf dem Land keine andere Chance hätten als sich zu integrieren. 
Wohnungssituation ist ein großes Thema 
2015 gab es das erste Treffen zwischen Kommune und Kirche – just zu der Zeit, als die Flüchtlingskrise auf ihrem Höhepunkt war. Wie sieht es jetzt, zwei Jahre später aus? Rund 3400 Geflüchtete leben in Darmstadt-Dieburg, davon sei ein Großteil anerkannt, berichtet Andrea Alt, Referentin für Bildung im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald und Koordinatorin für die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit im Landkreis. Seinerzeit sei es um Nothilfe gegangen, jetzt sei Integration das Thema. „Eine Kleiderkammer ist leichter zu organisieren als Arbeitsplätze oder gar Wohnungen.“ 2015 habe es viele Engagierte gegeben, viele davon seien weggebrochen, gleichwohl gebe es immer noch viele Hochengagierte. „Wir brauchen einen langen Atem und Geduld, aber auch einen nüchternen und zuversichtlichen Pragmatismus“, sagte Andrea Alt.
Insbesondere von den Problemen mit fehlendem Wohnraum können auch die Vertreter der Kommunen und Kirchen ein Lied singen: Die Flüchtlingskrise habe diese noch verschärft, berichtet Pfarrer Frank Fuchs aus Babenhausen, es sei eine Konkurrenz mit Sozialhilfeempfängern entstanden. Sabine Allmenröder, Referentin für Gesellschaftliche Verantwortung im Dekanat Bergstraße, berichtete davon, dass es an der Bergstraße die Idee gebe, eine Mediationsstelle einzurichten, an die sich Vermieter wenden könnten, die Bedenken hätten, ihre Wohnungen zu vermieten, bei der es kommunale Bürgschaften geben könnte und eine Wohnungsnotfallvermittlung. Das Sozialticket für sozial Bedürftige sei eine Möglichkeit, um Mobilität im ländlichen Raum, wo es viele Wohnungen gebe, zu gewährleisten. Das Misstrauen sei oft bei älteren Menschen groß, berichtete Pfarrer Christoph Mohr (Nieder-Ramstadt). Deshalb hätten sie immer wieder Menschen eingeladen, die von ihren Fluchterfahrungen berichtet hätten. „Die persönliche Begegnung kann viel verändern.“
HINTERGRUND
„Gemeinde trifft Gemeinde“ geht auf die Initiative von Bernd Klotz vom Hessischen Städte- und Gemeindebund und Dr. Maren Heincke vom Referat Ländlicher Raum des Zentrums Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN zurück. Die Zusammenkunft dient dem Austausch zwischen kommunaler und kirchlicher Gemeinde bei Themen wie Kindergarten, Sonntagsschutz, Flüchtlinge, Pfarrstellenbemessung. Die Treffen haben Modellcharakter, denn Vergleichbares gab es bislang nicht. Die Wahl ist laut Maren Heincke deshalb auf den Landkreis Darmstadt-Dieburg gefallen, weil es hier gute Kontakte zwischen Kommunen und Kirchen gibt.  Silke Rummel, Öffentlichkeitsarbeit des Ev. Dekanates Vorderer Odenwald