Perspektiefe 59, April 2023

Thema: Ziviler Ungehorsam (59/2023)

Eine ernste Frage …
 

Ziviler Ungehorsam ist Ausdruck politischen Widerstands. Er kann sich gegen politische Maß­nahmen (z. B. den Ausbau einer Autobahn), gegen gesellschaftspolitische Verhältnisse (z. B. Rassis­mus), aber auch gegen ein politisches System insgesamt (z. B. eine Diktatur) richten. Die Wahl der Mittel überschreitet dabei (meist) das übliche Maß politischer Aktivitäten wie Demonstrationen oder Petitionen. Eine (Sitz-)Blockade ist dabei nur ein Mittel. Von kalkuliertem oder bewusstem Rechts­bruch ist dann die Rede. Ist ziviler Ungehorsam dann aber (noch) rechtfertigbar? Schon in der Antike hat man sich darüber Gedanken gemacht und auch in der jüngsten Geschichte gab es einflussreiche Überlegungen dazu, wie z. B. von Ma­hatma Gandhi, Martin Luther King, John Rawls, Jürgen Habermas oder radikaldemokratischer von Hannah Arendt oder Michael Walzer.

Gegenwärtig ist das Thema gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels wieder sehr aktuell. Im Kern geht es immer um die Frage, ob und wie ziviler Ungehorsam als politische Praxis vor welchem moralischen Anspruch als legitim anerkannt und welcher Gesetzesbruch – trotz einer rechtlichen Androhung von Sanktionen – auf einer moralischen Ebene als legitim gerechtfertigt werden kann. Vorschnelle  Kriminalisierungsversuche helfen bei der Beantwortung dieser Frage sicher nicht! Man muss sich schon mit dieser ernsten Frage intensiv auseinandersetzen.
Ein guter Anlass dem Thema eine perspektiefe zu widmen!

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre!

Ihr Christian Schwindt



Perspektiefe 59, April 2023

Ziviler Ungehorsam: umkämpfte Idee und Praxis

HINTERGRUND: „Ziviler Ungehorsam“ als Bezeichnung regelüber­schre­i­ten­der Protestformen bleibt umkämpft: Einigen gilt er als moralische „Erpressung“ der Mehrheit durch eine Minderheit, anderen als „Streben nach kosmetischen Korrekturen innerhalb des bestehenden Systems“. Schließlich gibt es die von Robin Celicantes (2014) vertretene Sicht, dass Demokratiedefizite durch Kampagnen zivilen Ungehorsams sichtbar gemacht und überwunden werden können und dabei... Link



Ziviler Ungehorsam kann als politisches Warnzeichen produktiv und legitim sein

INTERVIEW: Drei Fragen an Rupert von Plottnitz, Rechtsanwalt und ehemaliger hessischer Justizminister. Link



Wie weit darf Protest gehen? Ein Blick auf die aktuellen Proteste der Klimabewegung

JURISTISCHE EINORDNUNG: Vor allem im Kontext der Klimabewegung wurde in den letzten Monaten viel über zivilen Ungehorsam debattiert, denn seit Anfang 2022 machen die Aktivist*innen der Letzten Generation mit Blockaden auf wichtigen Straßen in ganz Deutschland auf die Klimakrise aufmerksam. Mittlerweile nutzen sie auch weitere Formen des Protests, um an Politiker*innen im Hinblick auf Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimagerechtigkeit zu appellieren. Link



„Viel Tapferkeit und Aufopferung, aber fast nirgends Civilcourage“ – Ziviler Ungehorsam und Zivilcourage aus theologischer Perspektive

THEOLOGISCHE BETRACHTUNG: „Wir haben in diesen Jahren viel Tapferkeit und Aufopferung, aber fast nirgends Civilcourage gefunden, auch bei uns selbst nicht“ (Bonhoeffer 1998, 24). So Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) in seinem bemerkenswerten Essay „Nach zehn Jahren“, den er zur Jahreswende 1942/43 als eine Art persönlichen Rechenschaftsbericht nach zehn Jahren in der politischen Verschwörung für sich und seine Mitver­schwörer verfasste. Doch was ist... Link