Perspektiefe 60, September 2023

Netze des Lebens

EINFÜHRUNG: Umweltschutz bezieht sich auf alle untereinander vernetzte Lebensgrundlagen. Die Umweltdiskurse der vergangenen Jahrzehnte waren jedoch dominiert vom Thema anthropogen induzierter Klimawandel. Die bedrohliche Dimension der Biodiversitätsverluste gewann erst spät öffentliche Aufmerksamkeit. Die langfristig verheerenden Folgen der weltweiten Bodendegradierung werden nach wie vor stark ignoriert.

von: Dr. Maren Heincke, Referat Stadt- und Landentwicklung des ZGV, m.heincke@zgv.info


Es handelt sich jedoch um eine globale Drei­fachkrise. Zerstörung von Klima, Böden und Biodiversität sind kausal sehr eng mit­ein­ander verbunden – u. a. über Landnutzungs­ände­rungen der restlichen naturnahen Öko­sys­teme in Agrarflächen. Beispiele dafür sind Regenwald­abholzung, Moorentwässerung oder der Umbruch von Savannen. Inmitten der sechsten großen Aussterbewelle sterben täglich geschätzt 150 Arten unwiderruflich aus. Zwei Drittel der agrarisch genutzten Böden sind geschädigt und übernutzt. Von den wenigen Zentimetern fruchtbaren Bodenschichten hängen jedoch 95 Prozent der weltweiten Lebensmittel­produktion ab. Die riskante Ressourcenzerstörung führt zu extrem negativen ökologischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen und auch gesundheitlichen Folgewirkungen. Ganzheitliche Lösungsansätze müssen deshalb Boden-, Biodiversitäts-, Klima- und Ge­sund­heitsschutz in Form von resilienten Mehr­ge­winn­strategien adressieren.

Die wichtigsten globalen Umweltprobleme sind seit über 50 Jahren bekannt und wissenschaftlich detailliert untersucht. Das internationale „Washingtoner Artenschutzabkommen“ stammt von 1973. Im Jahr 1975 wurde das „Überein­kommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ beschlossen. Die „Wüstenkonvention“ zur Vermeidung und Verhinderung von Deserti­fikation und Landdegradation wurde 1994 von der UN verabschiedet. Die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele nehmen u. a. Umwelt- und Gesundheitsthemen gemeinsam in den Blick. Die Grundproblematiken haben je nach Staat selbstverständlich eine sehr unterschiedliche Ausprägung.

In Deutschland sind die Gesundheitsstandards bisher im Allgemeinen hoch und es wurden seit den 1970er-Jahren große Erfolge in der Umwelt­politik erreicht, z. B. bei Luftreinhaltung und Ab­wasserreinigung. Daneben gibt es jedoch stark vernachlässigte umweltrelevante Konfliktfelder. Biodiversitäts- und Bodenschutz gehören dazu. Die gelungene Wiederansiedlung einzelner bedrohter Arten oder zahlreiche Altlastensanierungen können die überwiegend negative Gesamtbilanz nicht verdecken. Problemfelder sind z. B. der schlechte Erhal­tungszustand der deutschen Naturschutzgebiete, Rückgang der Populationen auch von „Aller­weltsarten“ in Kulturlandschaften, invasive Arten, der Verlust agrargenetischer Ressourcen. Beim Bo­denschutz sind neben dem ungebremsten massiven Flächenverbrauch Themen wie Erosion, Bo­denkontaminationen oder nachlassende Bo­den­fruchtbarkeit wichtig.

Der dauerhafte Erhalt einer großen Artenvielfalt sowie lebendiger Böden sind essenziell für Er­nährung, Gesundheit und Wohlergehen des Men­schen – und somit im wohlverstandenem Eigen­interesse. Ohne gesunde Pflanzen und Tiere, ohne saubere Böden und Wasser gibt es kein menschliches Leben in Würde.