Perspektiefe 60, September 2023

Bodengesundheit ist überlebensnotwendig

NACHGEFRAGT: Perspektiefe befragte Dr. Ilka Engell, wissenschaftliche Geschäftsführerin der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft


Welche Dimension hat die Boden­zerstörung bereits?

„A nation that destroys its soils destroys itself“, sagte bereits Franklin D. Roosevelt (1882–1945). Dennoch ist die Bodenzerstörung ein Phänomen, das von der Gesellschaft weiterhin kaum wahrgenommen wird, aber stetig voran­schrei­tet. Für den Bodenschutz sind Jahre, selbst Generationen nicht ausreichend, um den Folgen anthropogener Einflüsse entgegenzuwirken. In Deutschland sind Böden hauptsächlich durch Versiegelung, Kon­ta­mination mit Schad- und Fremdstoffen, Erosion, Unter- oder Überver­sor­gung mit Nährstoffen, Ver­sauerung und Ver­dich­tung gefährdet.

Immer noch werden in Deutschland täglich et­wa 54 Hektar (Durchschnitt: 2017–2020) in Sied­­lungs- oder Verkehrsfläche umgewandelt. Zwi­schen den Jahren 1993 bis 2003 lag die Flä­cheninan­spruch­nahme noch bei 120 Hektar pro Tag. Ein Ziel der Deut­schen Nachhaltigkeits­stra­tegie der Bundesregie­rung besteht darin, die Neu­inan­spruchnahme von Flächen auf weniger als 30 Hek­tar pro Tag zu reduzieren. Flächenver­siegelung führt dazu, dass der Boden seine natürlichen Funktionen, wie z. B. Kühlfunktion durch Wasser­verdunstung, nicht mehr erfüllen kann. Die natür­liche Fruchtbarkeit von Standorten geht verloren, denn sowohl Pflanzen als auch Bodentiere können in einem System, in dem der Austausch von Luft und Wasser stark beeinträchtigt ist, kaum überstehen.
Auch der zunehmende Eintrag von Mikro­plastik­partikeln (< 5 mm) beeinflusst nicht nur die menschliche Gesundheit, sondern wirkt sich auf das gesamte Ökosystem aus. Nach einer internationalen Studie der TU Berlin zeigte sich, dass Klärschlamm, neben vielen weiteren Faktoren wie Kompost, Mulchfolien, Müll und Reifenabrieb, die Hauptursache für diese Entwicklung ist.

Die unsachgemäße Behandlung, die Lagerung bzw. die Ablagerung von Abfällen sowie ein unsachgemäßer Umgang mit umweltgefährdenden Stoffen im Boden werden als Altlasten beschrieben. Eine zukünftige Herausforderung wird weiterhin sein, wie mit solchen Flächen umgegangen werden kann (bspw. bei Entsiegelung). Hierbei sind Sanierungskonzepte für entsprechende Schadensfälle und eine länderübergreifende Umsetzung erforderlich.

Ein Viertel der deutschen Ackerflächen ist wind­erosionsgefährdet und ein Drittel weist eine hohe Gefährdung gegenüber Wassererosion auf. Ero­sion beschreibt den Abtrag humosen Ober­bodens durch Wasser oder Wind. In Deutschland gehen so im Schnitt 1,4 bis 3,2 Tonnen Boden je Hektar und Jahr verloren. Gründe hierfür sind neben inhärenter Standortbedingungen die Be­wirt­schaf­tung. Besonders Flächen ohne Bewuchs sowie verdichtete Böden ohne intakte Boden­struktur sind erosionsanfällig.

Auch eine Unter- oder Überversorgung mit Nährstoffen kann zu einer Veränderung der Böden führen mit einhergehenden Auswirkungen auf die Biodiversität und den Wasserhaushalt. Die Ver­sauerung von Böden spielt ebenso nach wie vor eine Rolle. Nach aktueller Bodenzustands­erhe­bung landwirtschaftlicher Böden des Thünen-Institutes liegen 42 % der mineralischen Böden unter Acker und 57 % der Grünlandböden unterhalb eines anzustrebenden pH-Optimums. Auch viele Waldböden sind stark versauert. Als weiterer Punkt ist die Verdichtung zu nennen: Nach An­ga­ben des Umweltbundesamtes sind etwa ein Drittel deutscher Ackerböden gefährdet.

„Daher bestimmt die Gesundheit unserer Bö­den weite Bereiche unseres täglichen Lebens. Bö­den sind die essenzielle Grundlage für saube­res Trink­was­ser, eine ausreichende Versorgung mit quali­tativ hochwertigen Lebensmitteln und die biologische Vielfalt.“

Dr. Ilka Engell

Welche Funktionen haben Böden und warum ist ihr Schutz so wichtig?

Die Eigenschaften eines Bodens hängen stark von den Standortbedingungen, wie Ausgangsgestein, Klima oder Relief sowie der Nutzungsgeschichte ab. Diese bestimmen das Potenzial zur Erzeugung pflanzlicher Rohstoffe, die Bereitstellung von Trink­wasser sowie die Speicherung von Koh­lenstoff und Wasser. Auch das Habitat für zahlreiche Bodentiere sowie Mikroorganismen, die für einen funktionierenden Stoffkreislauf im Boden verantwortlich sind, wird durch die Boden­eigenschaften geprägt.

Daher bestimmt die Gesundheit unserer Bö­den weite Bereiche unseres täglichen Lebens. Bö­den sind die essenzielle Grundlage für saube­res Trinkwasser, eine ausreichende Versorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln und die biologische Vielfalt. Die Bodendecke spielt als größter terrestrischer Kohlenstoffspeicher zu­dem unumstritten eine Schlüsselrolle im Klima­schutz. In Krisensituationen wird die Be­deutung von Bö­­den besonders sichtbar: Verwehungen mit ein­­her­gehendem Abtrag von Oberbodenmaterial bedingen bspw. Gefährdungen im Straßenverkehr, oder zunehmende Starkregenereignisse, die zu Boden­abtrag, Hangrutschungen und Über­schwem­­­mun­gen führen. Ist der Boden nicht intakt, treten gesamtgesellschaftlich relevante Er­eignisse auf. Diese führen zu Situationen, die auch mit beträchtlichen wirtschaftlichen Schäden verbunden sind.

Welche Schutzmaßnahmen gibt es?

Die Gründe, warum Böden bisher nicht ausreichend geschützt werden, sind vielfältig. Zum einen spielen wirtschaftliche Entscheidungen eine große Rolle, zum anderen gibt es ein hohes Maß an Zielkonflikten zwischen beteiligten Akteuren. Die Umsetzung von Bodenschutzmaßnahmen wird außerdem durch einen Fachkräftemangel erschwert. Dieser wird u. a. durch die Entkopplung universitärer Ausbildung von der bodenkundlichen Praxis und behördlichem Bodenschutz bestimmt. Darüber hinaus stellt das Bundesboden­schutz­gesetz (BBodSchG) im Bereich des vorsorgenden Bodenschutzes praktisch kein geeignetes In­s­tru­mentarium dar, d. h., Bodenschutzrecht exis­tiert bisher nur subsidiär und wird durch andere Re­gelwerke bestimmt.

Den Bodenschutz verpflichtend zu machen, ist daher ein wichtiges politisches Anliegen der Umweltministerkonferenz (2021). Unter Mitwirkung von Bund und Ländern wird als Folge dessen das BBodSchG einer eingehenden Prüfung unterzogen, um den vorsorgenden Bodenschutz auch rechtlich weiter zu stärken. Hierbei stehen insbesondere die Herausforderungen des Klimaschut­zes und der Erhalt der biologischen Vielfalt im Fokus. Eine Novellierung des nationalen Gesetzes ist der nächste Schritt. Parallel hierzu schreitet auf EU-Ebene die Ausarbeitung einer Bodenstrategie für 2030 voran. Ziel dieser Strategie ist es, dass sich alle Bodenökosysteme bis zum Jahr 2050 in einem gesunden Zustand (d. h. biologisch, chemisch und physikalisch) befinden und ihre Funktionen erfüllen können. Der für dieses Jahr geplante Legislativvorschlag zum Bodengesund­heitsgesetz stellt den Kern der EU-Bodenstrategie dar. Um den Zustand der Böden auch auf internationaler Ebene besser zu erfassen, werden ein stärkerer Austausch von Bodendaten und eine Förderung des Monitorings angestrebt.

Ist Kohlenstoffspeicherung ein Markt?

Bei der Bodenzustandserhebung Landwirtschaft wurde erstmals eine umfassende und reprä­sentative Inventur der Kohlenstoffvorräte in landwirtschaftlichen Böden in ganz Deutschland durch­geführt. Dabei zeigte sich, dass allein die land­wirtschaftlichen Böden über zwei Milliarden Ton­nen Kohlenstoff speichern. Eine angepasste Be­wirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen kann einen Beitrag leisten, mehr Kohlenstoff zu speichern. Dies kann mithilfe von Zwischen­frucht­anbau, Blühstreifen oder Untersaaten sowie das Anlegen von Hecken umgesetzt werden. Diese Maßnahmen müssen allerdings entsprechend vermarktet werden, denn hierfür werden finanzielle Mittel gebraucht. Derzeit besteht großer Bedarf an Forschung, um eine Berechnung der Klimabilanz eines gesamten Produktions­ver­fah­rens sicher abschätzen zu können. Besonders zu betonen ist, dass der Erfolg solcher Maßnahmen nur mithilfe von langfristigen Beobachtungen (z. B. Messun­gen von Humusgehalten) verifiziert werden kann.


Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft

Weiterführende Informa­tionen finden Sie unter www.dbges.de