Perspektiefe 42, März 2017

Veränderung ist machbar. Nur wie?

HINTERGRUND: Wir leben in einer Zeit, in der die bestehende Infrastruktur und das Warenangebot es uns oft schwer machen, mit unserem Verhalten nicht zur globalen sozial-ökologischen Krise beizutragen. Beispielsweise sind die Produktionsstandards vieler Konsumgüter sozial und ökologisch oft fragwürdig. Dennoch entscheiden wir uns aus momentanen Bedürfnissen und oft auch aus Gewohnheit heraus immer wieder für solche Produkte.

von Katharina Beyerl, Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS), Potsdam Wir denken nicht bei jeder Entscheidung darüber nach, was wir warum konsumieren, wo es herkommt, wie, wo und woraus es produziert wurde, auf welchem Wege es zu uns gelangt ist oder was nach der Nutzung mit dem Abfall passiert. Wir verlassen uns darauf, dass das, was angeboten wird, geprüft und sicher ist. Zudem sind wir in erster Linie daran interessiert, dass das Produkt seinen Zweck erfüllt und für uns erschwinglich ist. Ähnlich verhält es sich mit Mobilitätsentscheidungen, Freizeitangeboten, Urlaubsreisen. Anderen Menschen oder der Umwelt damit bewusst Schaden zuzufügen, liegt den meisten von uns fern. Grundsätzlich sind die „Nebenwirkungen“ menschlichen Tuns bekannt, und dennoch scheint sich wenig an unserem Verhalten zu ändern. Wir wissen, dass wir mit nicht-nachhaltigem Verhalten zu Luft- und Umweltverschmutzung, Klimawandel sowie zum Verlust von natürlichen Habitaten und Artenvielfalt beitragen. Wir wissen um die Folgen von schlechten Arbeitsbedingungen, sozialer Ungleichheit und Armut. Allein das Wissen um globale Probleme motiviert jedoch selten zu einer Veränderung unseres Verhaltens und unserer Konsumentscheidungen. Die Gründe dafür sind vielfältig. So scheint zum Beispiel das Tun des Einzelnen verschwindend nichtig in der Masse. Viele der globalen Probleme empfinden wir als weit weg, und oft erliegen wir der Illusion, davon selbst nicht betroffen zu sein. Zudem sind wir vielfach mit unseren eigenen Alltagsproblemen beschäftigt und ausgelastet. Des Weiteren sind Verhaltensalternativen nicht immer bekannt oder umsetzbar. Und selbst wenn Alternativen möglich sind, bedeutet das noch nicht, dass deren Attraktivität ausreichend ist, um sich tatsächlich dafür zu entscheiden. Zusätzlich mangelt es nicht selten an Vertrauen in Bio- und Fair-Trade-Siegel, oder auch in Fahrzeuge mit scheinbar niedrigen Emissionen. So verliert sich guter Wille oft in der Vielfalt und Unüberschaubarkeit der Angebote.

Der Mensch entscheidet Wie können wir in so einer komplexen Welt dennoch zu einer gesellschaftlichen Transformation zu nachhaltigen Lebensstilen beitragen? Der Ansatzpunkt liegt immer in unseren täglichen Entscheidungen und unserem Verhalten. Auch wenn man selbst nur ein Akteur unter vielen ist – in der Gemeinschaft gestalten wir die Lebensbedingungen auf unserem Planeten, mit unserer Nachfrage beeinflussen wir das Warenangebot und mit politischen Wahlen gestalten wir Rahmenbedingungen. Entscheidungen werden auf verschiedenen Ebenen getroffen, sowohl in der Politik und in Unternehmen als auch in der Gemeinde und im eigenen Haushalt. Hinter Entscheidungen in Politik und Wirtschaft stehen Menschen. Regulierungen und Gesetze werden von Menschen gemacht und sollten dem Erhalt guter Lebensbedingungen und dem Wohl aller dienen, jetzt und vorausschauend für zukünftige Generationen. Derzeit ist es leider oft so, dass nicht-nachhaltige Optionen die preiswerteren sind. Niedrige Preise deuten nicht selten auf sozial und ökologisch unverträgliche Produktionsmethoden hin und auf eine Verwendung von Materialien, die eher auf Quantität und baldigen Verschleiß denn auf Qualität und Langlebigkeit ausgerichtet sind. Dadurch dass solche Produkte jedoch massiv zu einer Verstärkung sozialer und ökologischer Probleme beitragen, müssten sich die Folgekosten für die Allgemeinheit eigentlich auch im Preis niederschlagen. Meist ist das aber nicht der Fall, denn die Preise werden von den Produzenten und Händlern hauptsächlich nach Kriterien der Maximierung ihrer Gewinne gestaltet. Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen müssten aber zum Standard für alle gemacht werden. Politiker und Entscheidungsträger in Unternehmen können hier mit ihrer Arbeit einen wesentlichen Beitrag leisten und nachhaltiges Verhalten für den Einzelnen und die Gesellschaft erleichtern. Doch auch in anderen Berufen und als Privatperson können wir durch unser persönliches Verhalten und unsere täglichen Entscheidungen die Welt mitgestalten. Was wir einkaufen, essen und anziehen, welchen Energieanbieter wir wählen, wie wir uns entscheiden bei der Anschaffung von Haushalts- und Unterhaltungselektronik oder wenn die nächste Renovierung des Hauses ansteht – all diese Bereiche können wir direkt beeinflussen. Trifft man diese Entscheidungen bewusster hinsichtlich der oben gestellten Fragen – warum, woher, woraus, wie, wohin –, wird man schnell feststellen, dass sich das eigene Konsumverhalten ändern wird. Unser Verhalten wird zudem von Menschen in unserem Umfeld wahrgenommen und dient anderen zur Orientierung. Bereits da beginnt Veränderung.

So überwindet man den „inneren Schweinehund“

Bekanntlich stellt sich der Veränderung unserer Gewohnheiten allzu oft der „innere Schweinehund“ in den Weg. Drei Ansätze können hier helfen:
erreichbare Ziele, soziale Motivation und das Nutzen von Zeitfenstern. Oft fällt es leichter, sich in der Familie, am Arbeitsplatz, im Verein oder mit Freunden gemeinsam erreichbare Ziele zu setzen und sich gegenseitig zu motivieren. Gemeinsame Entscheidungen, wie beispielsweise in der Kita oder in der Betriebskantine weniger Fleisch und mehr regionale Zutaten zu verwenden, können ein erster Schritt sein. Das ist nicht nur preiswerter, sondern auch deutlich gesünder und besser für die Öko-Bilanz. Sowohl im Arbeitskontext als auch privat Flugreisen möglichst zu vermeiden und das zum privaten und betrieblichen Standard zu machen, hilft erheblich, dass deutlich weniger Kohlenstoffdioxid freigesetzt wird. Dieses Treibhausgas verweilt über mehr als einhundert Jahre in der Atmosphäre und trägt zur Erderwärmung, zur Versauerung der Ozeane und damit zum Absterben der Korallenriffe bei. Da auch Unternehmen stets an Kosteneinsparungen und einem guten Image interessiert sind, rechnet sich Nachhaltigkeit oft, nicht nur bei der Neuanschaffung von Geräten, sondern auch beim Umbau von Energie- und Heizungsanlagen. Immer öfter bilden sich in Unternehmen Gruppen, die solche Ideen sammeln und gemeinsam umsetzen. Des Weiteren bietet jeder Umzug eine gute Gelegenheit, eigene Verhaltensmuster zu verändern. So ist es bei der Anmeldung beim Stromanbieter ein Leichtes, auf Energie aus erneuerbaren Energiequellen umzustellen. Auch bei Geldanlagen oder der Wahl der Bank kann man Berater nach nachhaltigen Möglichkeiten fragen, denn viele wissen gar nicht, wofür ihr Geld eigentlich genutzt wird. Wie ist gesellschaftliche Transformation zu erreichen? Durch unsere eigenen täglichen Entscheidungen. Wie können wir dazu beitragen, die Welt zu verändern, so dass unsere Kinder, Enkel und folgende Generationen die Lebensbedingungen vorfinden, die wir ihnen wünschen? Indem wir Fragen stellen, Ungerechtigkeit sowohl im Kleinen als auch im Großen nicht hinnehmen, sondern in dem Rahmen, der uns möglich ist, bei uns selbst, in der Familie, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz und in der Gemeinde für Veränderungen eintreten. www.iass-potsdam.de