Perspektiefe 45, März 2018

Jugendliche holen sich ihre Freiräume

HINTERGRUND: Es gibt immer wieder Momente, in denen wir kreativ und frei arbeiten können. Erfahrungsgemäß funktioniert das dann gut, wenn wir Zeit und einen passenden Ort haben und nicht in einem engen Terminkalender gefangen sind. Für Kinder und Jugendliche gilt das auch. Haben sie die Möglichkeit, ihre Zeit zweckfrei, selbstbestimmt und frei zu verbringen, stärkt das ihre Persönlichkeit. 

von Annika Gramoll, Referat Jugendpolitische Bildung, ZGV
„Wird ein Raum von Erwachsenen domi­niert, wechseln sie (die Jugendlichen) an andere Orte.“  Annika Gramoll
Im Jahr 2012 forderte der Landesjugendring Rheinland-Pfalz, dass Jugendliche, wenn sie sich ehrenamtlich engagieren, von anderen Verpflichtungen wie z.?B. Schule freigestellt werden sollten, dass Prüfungszeiten an Hochschulen flexibler gestaltet sein müssten und dass außerschulische Bildung finanziell besser unterstützt werden müsste (s. Quelle 1). Auf diese Weise würden sie formell Unterstützung zur Gestaltung ihres Freiraums bekommen. Ambivalent ist hierbei, dass Jugendliche dann Unterstützung erhalten sollen, wenn sie sich ehrenamtlich engagieren. Also etwas zugespitzt, Zeit für erneut zweckgebundene Aktivitäten bekommen. Organisationen, die Angebote für Jugendliche machen, sollten sich dieser Ambivalenz bewusst sein und offene Angebote in ihren Einrichtungen stärken.

Vertrauen in Jugendliche setzen

Gleichzeitig holen sich Jugendliche auch die Frei­räume, die sie brauchen. Räume, in denen sie abhängen, spielen, Freunde treffen und Zeit verbringen und die nicht von Erwachsenen dominiert wer­den. In der aktuellen JIM-Studie 2017, die jährlich vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest erhoben und den Medienumgang 12- bis 19-Jähriger untersucht (Quelle 2), wird darüber berichtet, was Jugendliche in ihrer Freizeit tun, aufgeteilt in non-mediale und mediale Freizeit­aktivi­täten. Bei den non-medialen Freizeitaktivi­täten steht mit 73 Prozent an erster Stelle: „Mit Freunden/Leuten treffen“, und anschließend Sport mit 68 Prozent. Beides Aktivitäten, in denen das Zusammensein mit Gleichgesinnten im Mittelpunkt steht. Wird nach den medialen Freizeit­beschäf­tigungen gefragt, stehen Smartphone zu 89 Pro­zent und Internet mit 93 Prozent beim täglichen Gebrauch ganz oben. Bei den liebsten Internet­angeboten liegen YouTube, WhatsApp und Insta­gram an der Spitze. Bei den wichtigsten Apps liegt WhatsApp in allen Altersstufen zwischen 12 und 19 Jahren bei etwa 88 Prozent. Snapchat, Instagram und YouTube folgen mit etwa 30 Pro­zent und Facebook wird hauptsächlich von den älteren Jugendlichen genutzt. Auffällig ist, dass dies Aktivitäten sind, in denen es hauptsächlich um den Austausch mit anderen Menschen geht. Sie möchten sich austauschen, ausprobieren, neue Rollen testen und explorativ sein.  Wird ein Raum von Erwachsenen dominiert, wechseln sie an andere Orte. Dies lässt sich gerade am Beispiel von Facebook gut zeigen. Waren Jugendliche noch vor ein paar Jahren die Haupt­zielgruppe, hat sich dies nun stark geändert. Mittlerweile nutzen viele Erwachsene und Eltern Facebook, was die Plattform dementsprechend unattraktiv für Jugendliche macht. Sie sind mittlerweile zu anderen Plattformen gewechselt, wie z.?B. zu Snapchat oder Instagram. So befindet sich das Suchen und Finden nach neuen Erpro­bungsräumen in einem ständigen Prozess.  Es ist also entscheidend, auf formaler Ebene für Jugendliche und ihre Freiräume einzutreten und zeitgleich das Vertrauen in die hohe Erfin­dungskompetenz von Jugendlichen zu haben, sich ihre Räume zu suchen. 
Quellen: 
1. Landesjugendring Rheinland-Pfalz (2012): Mehr Zeit zu selbstbestimmtem Leben und eigenverantwortlichem Lernen – Mehr Freiräume für die Jugendarbeit! 
2. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2017): JIM-Studie 2017. Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger.