Perspektiefe 46, September 2018

Wir kaufen anders: So kann es gehen!

INTERVIEW: Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) beteiligt sich seit Anfang 2018 an der Informations- und Einkaufsplattform „Wir kaufen anders“ (www.wir-kaufen-anders.de). Sie wurde von der Ev. Landeskirche Baden entwickelt und soll den Einkauf von nachhaltigen Produkten erleichtern.Interview mit Kathrin Saudhof, Klimaschutzmanagerin im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung.

Das Gespräch führte: Margit Befurt, ZGV
Es geht beim nachhaltigen Einkauf nicht um eine große Verzichtskampagne, sondern darum, für einen bewussten Konsum zu sensibi­lisieren.“  Kathrin Saudhof

Wie beteiligt sich die EKHN an der Plattform und was soll mit ihr erreicht werden? 

Saudhof: Die EKHN leistet einen finanziellen Bei­trag, um die Kosten des Betriebs der Plattform www.wir-kaufen-anders.de zu decken. Dadurch ist sie im sogenannten Kundenrat ver­treten und hat Einfluss auf die Weiterentwicklung des Portals. Die Vertreterinnen und Ver­treter beraten beispielsweise darüber, welche zusätzlichen Inhalte und Händler aufgenommen werden.  Die Plattform ist ein Angebot, das den Kir­chen­gemeinden und kirchlichen Einrichtungen eine Mög­lich­keit auf­zeigt, sich für die Be­wah­rung der Schöpfung und soziale Ge­rech­tigkeit einzusetzen. Lang­fristig wün­schen wir uns, dass es in unse­rer Kirche selbst­verständlich wird, „öko“, fair und sozialverträglich einzukaufen. Dann könnten wir auch un­­sere Markt­­macht nutzen und nach­haltige Produktions­weisen stärken. 

Wer kann das Portal nutzen?

Saudhof: Das Informationsportal ist für jeden zugänglich, der Onlineshop für Ehren- und Haupt­amtliche der EKHN. Nachdem sie sich einmalig registriert haben, können sie für kirchliche Zwecke einkaufen. Privatkunden haben keinen Zugang zum Shop. 

Wie nutzt man die Plattform am besten?

Saudhof: So kann es gehen: In einer Kirchen­gemeinde wird beispielsweise der neue Ge­mein­de­brief vorbereitet. Er soll zukünftig nachhaltiger hergestellt werden. Auf dem Portal findet man unter den Pro­dukt­informationen in der Rubrik Gemeindebrief wertvolle Hinweise.  Oder man bestellt das Kopierpapier fürs Ge­­meindebüro nicht wie bisher im konventionellen Onlineshop, sondern direkt bei www.wir-kaufen-anders.de. Die dort angebotenen Papiersorten sind darauf geprüft, dass sie einen ökologischen Vorteil gegenüber konventionellen Pro­­dukten ha­ben. Mein Tipp: einfach aus­pro­bieren: www.wir-kaufen-anders.de

Kann man sich darauf verlassen, dass die angebotenen Produkte nachhaltig sind? 

Saudhof: Das perfekt nachhaltige Produkt gibt es nicht. Denn bei der Herstellung werden immer Res­sourcen und Rohstoffe verbraucht. Die angebotenen Produkte sind in der Regel mit Umwelt- oder Sozialsiegeln ausgezeichnet. Ein gutes Siegel wird von einer unabhängigen Institution entwickelt, wie zum Beispiel der Blaue Engel vom Bun­desumwelt­minis­terium. Es werden Kriterien festgelegt, die bei der Produktion, dem Handel oder der Nutzung der Produkte eingehalten werden müssen. Nur dann wird das Siegel verliehen.  Das Portal arbeitet nur mit vertrauenswürdigen Händlern zusammen, die bei ihrer Produktauswahl entsprechende Siegel berücksichtigen. Bei Pro­duk­ten ohne Siegel machen die Händler zumindest ihre Auswahlkriterien transparent. Wer sich umfassend über Umwelt- und Sozial­siegel informieren will, wird fündig unter: www.siegelklarheit.de      

Wie umweltfreundlich ist es, wenn die gekauften nachhaltigen Produkte mit LKWs zu ihren Bestim­mungsorten transportiert werden?

Saudhof: Es geht immer um eine Abwägung, was die Umwelt weniger belastet. Ist es umweltfreundlicher, mit dem Auto in die nächste Stadt zu fahren und einen Parkplatz zu suchen, nur um einen energiesparenden Drucker zu kaufen? Wenn man das vor Ort fußläufig erledigen kann, dann ist das dem Onlineversand vorzuziehen. Die von den Händlern ausgewählten Logistik­un­ter­nehmen achten darauf, die Transportwege zu optimieren. Dabei geht es vermutlich nicht in ers­ter Linie um Umweltschutz, sondern um Kos­ten­­ersparnis, was aber auch gut für die Umwelt ist.  Der Versand der Produkte ist auf jeden Fall klimaneutral, d.?h., die Lieferanten kompen­sieren die entstehenden CO2-Emissionen, indem sie anerkannte internationale Klimaschutzprojekte finanziell fördern. Darüber hinaus werden nur Speditionen ausgewählt, die soziale Mindest­standards für ihre Be­schäftigten einhalten.

Manche Produkte reisen um die halbe Welt, um von uns gekauft zu werden, wie beispielsweise der fair gehandelte Kaffee. Ist das sinnvoll?

Saudhof: Grundsätzlich muss man festhalten, dass wir bestimmte Konsum- bzw. Verzehr­ge­wohn­heiten haben. Es wäre weltfremd zu sagen, schenkt keinen Kaffee mehr aus bei eurem Se­niorennachmittag, sondern nur noch regionalen Kräu­­tertee. Bei Erdbeeren, die in der Saison auch bei uns produziert werden, ist das schon anders. Ganzheitlich betrachtet geht es beim nach­haltigen Einkauf auch darum, den Konsum nicht unnötig ansteigen zu lassen. Man muss nicht alles neu kaufen, manches kann repariert, anderes aus­geliehen werden. Benachbarte Kirchenge­mein­den können beispielsweise Mehrweggeschirr für Ge­meindefeste gemeinsam kaufen oder einen Ver­leihservice nutzen. Darüber gibt es viele In­for­ma­tionen auf dem Portal. Also nochmal: Es geht beim nachhaltigen Einkauf nicht um eine große Verzichtskampagne, sondern darum, für einen bewussten Konsum zu sensibilisieren. 

Können es sich Kirchengemeinden leisten, nachhaltig einzukaufen?

Saudhof: Beim Einkauf auf dem Portal „Wir kaufen anders“ erhalten Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen einen Rabatt. Somit wird der Einkauf günstiger als direkt bei den Händlern. Natürlich gibt es Produkte, die teurer sind, wenn man sie nachhaltig einkauft. Aber wenn Menschen dafür fair bezahlt werden und nicht für Billiglöhne arbeiten müssen, ist das logisch. Manchmal liegt es auch daran, dass nachhaltige Produkte nicht so häufig nachgefragt und des­halb auch nicht in großen Mengen produziert werden. Die Produktion kann dann nicht so kos­­teneffizient sein wie bei konventioneller Mas­sen­ware. Aber das können wir Kundinnen und Kun­den ändern. Eine Kirchengemeinde in Baden, die ihren Ein­kauf schon seit einigen Jahren umgestellt hat, macht gute Erfahrungen. Ihr Einkauf ist insgesamt nicht teurer geworden. Dafür kauft sie bewusster, planvoller und weniger unkoordiniert ein und verzichtet auf große Lagerhaltung.  Die Kirchenverwaltung der EKHN hat schon vor einigen Jahren den Einkauf von Büromaterial neu ausgeschrieben und beschlossen, nachhalti­gere Produkte einzukaufen. Am Ende der Aus­schreibung war der Einkauf deutlich günstiger als die bisherigen Konditionen für konventionelle Produkte. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, das bisherige Verhalten zu überprüfen und Preise zu vergleichen.

Welche Unterstützung erhalten Kirchengemeinden, wenn sie nachhaltig einkaufen wollen?

Saudhof: Zusätzlich zu dem neuen Portal bieten wir beispielsweise Workshops für Gemeinde­sekretariate, Kirchenvorstände oder Kinder­tages­stätten an. Darüber hinaus beraten wir Kir­chen­gemeinden oder kirchliche Einrichtungen aber gerne auch auf Anfrage.  Im Portal findet man unter „Wir über uns“ sowohl alle Ansprechpartnerinnen aus der EKHN als auch die Kontaktdaten des Serviceteams, das Fra­gen zur Plattform und zum Onlineshop be­antwortet: www.wir-kaufen-anders.de/wir-ueber-uns

Kontakt:

Kathrin Saudhof
Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung
Tel.: 06131 2874452
E-Mail