Perspektiefe 57, September 2022

Der Preis soll es regeln? Die Bepreisung von CO2 als Instrument in der Klimapolitik

HINTERGRUND: Um der Klimakrise zu begegnen, kann die Politik zwischen verschiedenen Instrumenten wählen. Dabei lassen sich ordnungsrechtliche – also regelnde Vorgaben – von ökonomischen – also finanzielle Anreize – Instrumenten unterscheiden.

von: Antje von Broock, Geschäftsführerin Politik und Kommunikation des BUND

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Zu den ordnungsrechtlichen Instrumenten zählen beispielsweise die CO2-Grenzwerte der Europäischen Union für Neuzulassungen von Pkw und Lkw oder das Verbot von Neu­fahrzeu­gen mit Verbrennungsmotor ab dem Jahr 2035, das vom EU-Parlament Anfang Juni beschlossen wurde. Ökonomische Politikinstrumente hingegen versuchen, menschliches und unternehmerisches Verhalten durch Geldanreiz zu lenken. Im Falle der CO2-Bepreisung soll alles, wodurch klimaschädliche CO2-Emissionen entstehen, verteuert werden. Ob das gelingt und wie groß der Effekt ist, lässt sich nicht exakt voraussagen. Denn dies hängt natürlich davon ab, wie stark Menschen und Unternehmen auf die Preiseffekte reagieren. Je höher der CO2-Preis desto wahrscheinlicher die Lenkungswirkung und Verhaltens­änderungen. Wenn der Bezug von erneuerbaren Energien dann günstiger wird, werden Unterneh­men und Haushalte auf grünen Stromversorger umstellen, wenn Sprit und Heizöl teurer wird, wird weniger Auto gefahren, auf den öffentlichen Nah­verkehr umgestiegen, Gebäude gedämmt, die Heizung runtergedreht oder die Ölheizung gegen eine effiziente Wärmepumpe ausgetauscht.

„Durch eine Studie zur praktischen Umsetzung der Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Be­preisung an die Bevölkerung konnten wir darlegen, dass dies bürokratiearm, kosten­effizient, rechtssicher und datenschutz­kon­form machbar wäre.“
Antje von Broock

Ist der EU-Emissionshandel wirkungslos?

Als ökonomisches Instrument kann die Beprei­sung von CO2 entweder über einen direkten Preis in Form einer Abgabe oder indirekt durch den Handel mit Emissionszertifikaten umgesetzt werden. Ziel beider Ansätze ist, den CO2-Emissionen einen Preis zu geben. In der Vergangenheit konzentrierte sich die Klimapolitik der Europäischen Union hauptsächlich auf die indirekte Steuerung. Der seit 2005 bestehende EU-Emissionshandel (ETS) begrenzt die Menge von CO2-Zertifikaten; die Preisentwicklung wird dem Markt überlassen. Er ist noch immer das zentrale gemeinschaftliche Klimaschutzinstrument der EU und erfasst fast alle Treibhausgasemissionen aus der energiewirtschaftlichen Stromerzeugung und einen großen Teil der Emissionen der energieintensiven Industrie und ihren Prozessen in 30 Ländern – neben den EU-Staaten nehmen Norwegen, Island und Liech­tenstein am EU-ETS teil. Außerdem sind seit 2012 die innereuropäischen Flugverkehrsemissionen im Europäischen Wirtschaftsraum in den EU-ETS aufgenommen. Obwohl zuletzt die Preise des ETS stärker gestiegen sind, hat der ETS bis heute kaum Wirkung gezeigt. Das liegt insbesondere daran, dass man Unternehmen kostenlose Emis­sions­zertifikate zugeteilt hat, um den Übergang zu gestalten und Abwanderungen zu verhindern. Im Endeffekt waren dadurch zu viele Zertifikate im Umlauf und so konnten Unternehmen wie RWE oder ThyssenKrupp durch Verkauf ihres Über­schusses Milliardensummen am ETS verdienen. Im Moment wird im Europäischen Parlament kontrovers darüber diskutiert, einen zweiten Emis­sions­handel für die Sektoren Verkehr und Wärme einzuführen und die Erlöse in einen Klima­sozial­fonds zu geben. Noch wurde keine Einigung erreicht.

Deutschland startete CO2-Bepreisung in 2021

Einige Länder wie Finnland, Schweden, Norwe­gen, Dänemark und Slowenien haben bereits in den 1990er-Jahren die Bepreisung von CO2 eingeführt. In der Schweiz gibt es eine CO2-Beprei­sung seit dem Jahr 2008 als Umlage. Hier gab es zehn Jahre nach der Einführung einen Rückgang der Emissionen im Gebäudebereich um 20 Pro­zent. Zwei Drittel der Einnahmen werden direkt an die Bevölkerung rückverteilt, ein Drittel kommt energetischen Sanierungen zugute. In Frankreich hingegen sollte 2018 die Mineralölsteuer erhöht werden, hier kam es zu monatelangen landes­weiten Protesten.

In Deutschland gibt es seit Anfang des Jahres 2021 eine Bepreisung von CO2 in den Bereichen Verkehr und Wärme. Die Bundesregierung konnte sich weder zu einem reinen Handelssystem noch zu einer Preisabgabe durchringen und hat nun ein Mischsystem aus einem Handel mit ge­deckelten Preisen eingeführt. Unternehmen, die Kraft­stoffe und Heizstoffe wie Benzin, Diesel oder Heizöl verkaufen, müssen seitdem Emissions­zertifikate erwerben. Der Startpreis pro Tonne CO2 betrug im letzten Jahr 25 Euro, das entspricht weniger als 10 Cent pro Liter Kraftstoff oder Heizöl. Er steigt bis zum Jahr 2025 schrittweise auf 55 Euro pro Tonne CO2 an. Im Jahr 2026 wird der Festpreis abgelöst von einem Preiskorridor von mindestens 55 Euro und höchstens 65 Euro pro Tonne CO2.

BUND für sozial gerechtere Klimaprämie

Mit den Einnahmen wird die EEG-Umlage nun staatlich finanziert und die Pendlerpauschale erhöht. Beide Maßnahmen sind aus sozialer und ökologischer Perspektive suboptimal. Sie setzt einerseits einen Anreiz, um mehr Strom und Treib­stoff zu verbrauchen, andererseits hätte die Bun­desregierung mit der gleichen Summe stärkere Maßnahmen für Klimaschutz und gegen soziale Ungleichheit finanzieren können. Bei der Pendler­pauschale kommt noch hinzu, dass einkommensstarke Haushalte mit hohem Steuersatz eine wesentlich höhere Rückerstattung als Haushalte mit niedrigem Einkommen erhalten. Geringverdie­nende, die keine Steuern bezahlen, gehen sogar ganz leer aus, obwohl auch sie oft lange Wege zur Arbeit zurücklegen müssen.

Als BUND haben wir uns dafür eingesetzt, dass alle Einnahmen aus der deutschen CO2-Be­preisung in eine Klimaprämie bzw. ein Klima­geld fließen. Das Steueraufkommen würde in Form eines Pro-Kopf-Betrages in gleicher Höhe an alle Einwohner*innen gleich welchen Alters zurück­gezahlt werden. Das ergibt nach unseren Schät­zungen eine steigende jährliche Aus­­schüttung von zunächst rund 200 Euro pro Person. Schon im ersten Jahr wäre das deutlich mehr als die zu erwartende Zusatzbelastung der aller­meisten Haushalte mit niedrigem Ein­kommen. Durch eine Studie zur praktischen Umsetzung der Rück­ver­teilung der Einnahmen aus der CO2-Be­preisung an die Bevölkerung konnten wir dar­legen, dass dies bürokratiearm, kosten­­effizient, rechtssicher und datenschutzkonform machbar wäre. Wir erwarten deswegen immer noch, dass die Bundes­regierung eine Klimaprämie umsetzt, so wie es im Koalitions­vertrag festgelegt wurde.

Angesichts der Klimakrise müssen wir jetzt handeln und radikal Emissionen reduzieren. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom letzten Jahr, das wir als BUND gemeinsam mit vielen anderen erstritten haben, macht deutlich, wie entscheidend die Jahre bis 2030 hierfür sind.

Dazu müssen wir sowohl ordnungspolitische als auch ökonomische Politikinstrumente zur Re­duzierung von Treibhaus­gasemissionen ein­setzen. Erstere wirken zielgenauer, aber auch die Beprei­sung von CO2 als flankierendes Instrument ist ein wichtiger Be­stand­teil in einem Instru­mentenmix. Allein mit ökonomischen Instrumenten wird sich die Klimakrise jedoch nicht lösen lassen.